Kryptitis
In der für den Laien oft unverständlichen Fachsprache der Medizin steht die aus dem Altgriechischen stammende Wortendung -itis für Entzündung und krypto bedeutet so viel wie verborgen oder versteckt. Gemeint ist jedoch die Entzündung der anatomischen Struktur Analkrypte und nicht die „versteckte Entzündung“, wenn auch diese Umschreibung nicht treffender sein könnte.
Der Stellenwert dieser Entzündungen als Ursache von Beschwerdebilder wird oft verkannt bzw. nicht erkannt und ihre Bedeutung als eigenständiges Krankheitsbild unterschätzt.
Unumstritten hingegen ist die Bedeutung dieser Entzündungen von Analkrypten und Proktodealdrüsen in der Entstehung eigenständiger Krankheitsbilder wie dem Analabszess, der Analfistel und der Analfissur.
Für das weitere Verständnis der Entstehung einer Kryptitis ist ein Blick auf die menschliche Anatomie des Analkanals unumgänglich.
Die Proktodealdrüsen und die Analkrypten gehören zu dem Drüsenkomplexen, welche bei unseren Vorfahren den Affen, denen der Duftdrüsen entsprechen. Bei uns Menschen sind diese Anlagen oft nur noch rudimentär und funktionslos ausgebildet.
Diese Strukturen befinden sich im Übergangsbereich von der schmerzunempfindlichen Schleimhautauskleidung des Enddarmes zu der hochempfindlichen Hautauskleidung des Analkanals, dem Anoderm, auf welchem sich die sensorische Kontinenz abspielt. Schmerzen werden somit durch den Übergriff der Entzündung auf das Anoderm ausgelöst.
Analkrypten kann man sich als taschenartige Vertiefungen vorstellen, deren Öffnungen entgegengesetzt zur Entleerungsrichtung des Darminhaltes gerichtet sind, während sich die geschlossenen Enden unter dem Anoderm befinden. Somit sind sie bei der Untersuchung mit dem Proktoskop nicht sichtbar und nur mit spitzwinklig gebogenen Häkchen durch Sondierung darstellbar. Daher der altgriechische Wortstamm krypto (verborgen, versteckt). In die Krypten münden die Proktodealdrüsen, die bei uns Menschen meistens funktionslos sind. Im Wissen um diese anatomischen Verhältnisse lassen sich die Entstehung der Entzündungen und die daraus hervorgehenden Beschwerden erklären:
- Stuhl wird bei der Entleerung in die taschenartigen Krypten hineingepresst.
- Die Proktodealdrüsen produzieren kein Sekret, womit die Krypten nicht freigespült werden und somit verstopfen.
- Diese Stuhlverstopfung kann die Infektion und Entzündung der Krypte hervorrufen.
- In die Proktodealdrüsengänge aufsteigende bakterielle Infektionen sind dann wiederum die Ursache für Analabszesse und Analfisteln.
Oft verläuft eine Kryptitis blande, d.h. ohne wesentliche Beschwerden. Bei der Untersuchung finden sich dann lediglich Hinweiszeichen einer bestehenden oder stattgehabten Entzündung. Typisch hierfür wäre eine vergrößerte Analpapille, auch Analpolyp genannt, am inneren Rand der Krypte. Auch ein kleines Hautläppchen, eine sogenannte Mariske an der Haut des Afterrandes, unter der die Krypten enden, könnte ein solches Hinweiszeichen sein. Verursacht eine Kryptitis Beschwerden, dann kommen folgende Symptome in Betracht: dumpfes Druck- oder Schmerzgefühl, stechende Schmerzen bei und nach der Stuhlentleerung, Schwellungen unter der Analhaut, Sekret- oder Eiterabsonderungen über den Analkanal.
Kann man etwas tun, um eine Kryptitis zu vermeiden?
Wahrscheinlich lässt sich dieser Prozess nicht sicher verhindern, aber eine Maßnahme zur Vorbeugung der Kryptitis besteht darin, hohen Druck im Übergang vom Enddarm zum Analkanal zu vermeiden. Dies lässt sich erreichen, indem man für eine faserreiche und damit locker geformte und geschmeidige Stuhlkonsistenz sorgt, zum Beispiel durch die Nahrungsergänzung mit gemahlenen Flohsamenschalen (Stuhlregulation). Dies vermeidet „Dauersitzungen“ und schwierige Pressakte.
Im Falle der nachgewiesenen Kryptitis kommen zunächst antientzündliche Cremes oder Zäpfen sowie Gel- oder Salbenmischungen, die den erhöhten Schließmuskeltonus senken sollen und Sklerosierungsbehandlungen von vergrößerten Hämorrhoiden in Betracht. Letztere liegen vor dem Kryptenausgang und könnten die Selbstreinigung bzw. den Abfluss aus den Krypten erschweren. Führen diese Maßnahmen nicht zur Beschwerdefreiheit und es besteht ein entsprechender Leidensdruck, dann sollte eine Untersuchung mit der Kryptensonde durchgeführt werden. Hierfür ist eine Narkose erforderlich und somit kann innerhalb desselben Eingriffes eine Kryptitis durch Längsspaltung des Kryptendaches behandelt werden. Die Analhaut über der entzündeten Krypte wir dabei eingeschnitten, die Krypte klappt vollständig auf und kann dann vom Wundgrund herauf abheilen. Die betreffende Krypte ist damit dauerhaft beseitigt.
Anmerkung mit Augenzwinkern:
Keine Angst, die Tatsache, dass jemand ausgeprägtere Proktodealdrüsen und Krypten aufweist hat nichts damit zu tun, dass dieser Mensch dem Affen noch näher ist, sondern allenfalls mit seiner Individualität!