Stuhlinkontinenz
Die Wahrnehmung des Stuhldranges, die Fähigkeit den Stuhl zurückzuhalten und dessen Entleerung bewusst zu steuern, wird als anale Kontinenz bzw. Stuhlkontinenz bezeichnet.
Entsprechend ist die anale Inkontinenz durch unfreiwillige Abgänge von Luft oder Stuhl gekennzeichnet. Dieses tabuisierte, mit hohem Leidensdruck und oft auch Rückzug und sozialer Isolation einhergehende Problem kann Menschen aller Altersgruppen betreffen, da verschiedene Ursachen hierfür in Frage kommen.
Die Stuhlinkontinenz wird in 3 Stadien oder Grade eingeteilt:
- Stadium I: Unfähigkeit Luft („Darmwinde“) zu kontrollieren
- Stadium II: Unfähigkeit flüssige Stühle zu kontrollieren
- Stadium III: Unfähigkeit zur Kontrolle aller Stuhlkonsistenzen, auch fester Stühle
Für das Verständnis der Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten soll hiermit der Vorgang der Stuhlentleerung in vereinfachter Form erklärt werden:
Den Enddarm (das Rektum) kann man sich wie einen Sack vorstellen, in welchem die Darmausscheidungen gesammelt werden. Ist dieser voll, löst die entsprechende Wanddehnung den Entleerungsreflex und ein Stuhldranggefühl aus. Der innere Schließmuskel, den wir nicht willentlich beeinflussen können, entspannt. Damit tritt der Stuhl tiefer in den Analkanal ein und kann auf unserer Hautauskleidung des Analkanals, dem Anoderm, gefühlt bzw. ertastet werden. Entsprechend dem, was wir erfühlen – Luft, dünner Stuhl, fester Stuhl – können wir unseren äußeren Schließmuskel und die Levatorschlinge bewusst und dosiert anspannen, die Ausscheidung zurückhalten und kontrolliert abgeben. Bei der Levatorschlinge handelt es sich um einen Muskelstrang, der vorn am knöchernen Becken fixiert ist und den Enddarm im Übergang in den Analkanal schlingenförmig umgreift. Beim Zurückhalten des Stuhls, dem „Kneifen“, zieht diese Muskelschlinge den umfassten Bereich nach vorn und führt zu eine Abwinklung, einem Knick im Übergang vom Enddarm zum Analkanal. Somit wird eine Abdichtung erreicht und die Stuhlsäule wieder etwas hochgeschoben.
Zumeist ist es das Versagen mehrerer Faktoren in der beschriebenen Kette, welche die Kontinenzfunktion beeinträchtigen und zum Systemversagen führen. Dementsprechend sind es auch mehrere „Stellschrauben, an welchen wir drehen können“, um die anale Kontinenz wieder herzustellen oder zu verbessern:
- Verbesserung der Schließmuskel- und Beckenbodenfunktion und -koordination (Beckenbodenschwäche und Schließmuskelschwäche) durch Beckenbodentraining, Biofeedback und Elektrostimulationsverfahren oder die Sakrale NervenModulation
- Wiederherstellung der sensorischen Kontinenz
Die sensorische Kontinenz bezeichnet das Fühlen und Ertasten der anstehenden Entleerung sowie der Beurteilung der Form und Konsistenz der Ausscheidung. Dies erfolgt auf dem Anoderm, der Hautauskleidung des nur 2-4 cm langen Analkanals. Ursachen für eine Beeinträchtigung der sensorischen Kontinenz können Nervenausfälle oder Störungen im Gehirn (nach Schlaganfall), am Rückenmark (Querschnittssyndrom), an den Nervenwurzeln im Kreuzbeinbereich oder im Nervenverlauf (Beckenbodenschwäche) sein. Die Behandlungsmöglichkeit dieser neurologischen Ursachen sind oft nur eingeschränkt und langwierig. Doch die mit Abstand häufigste Ursache für eine eingeschränkte Sensorik im Bereich des Analkanals ist die Vorwölbung von Schleimhautanteilen bis in den Analkanal. Damit wird das sensible Anoderm von Schleimhaut überdeckt, welcher die sensible Nervenversorgung fehlt. Das, was da kommt, kann nicht gespürt werden, so dass Stühle oder Winde unbemerkt und unkontrolliert passieren können. Man findet dies typisch bei einer Vergrößerung der Hämorrhoiden oder einem Enddarmvorfall. Dementsprechend kann diese Ursache der sensorischen Kontinenzeinschränkung sehr gut behandelt werden.
Optimierung der Stuhlform und Stuhlganghäufigkeit
Die Kontrolle von dünnen bis wässrigen Stühlen kann selbst das intakte Schließmuskel- und Beckenbodensystem an seine Grenzen bringen. Hingegen erfordert harter und klumpiger Stuhl starkes Pressen, was der Schwächung des Beckenbodens Vorschub leistet. Somit sind auch für eine erfolgreiche Behandlung der Stuhlinkontinenz die Maßnahmen der Basistherapie bei proktologischen Krankheitsbildern eine Grundvoraussetzung. Durch eine Stuhlregulation kann eine Form bzw. Konsistenz erreicht werden, die besser zurückgehalten werden kann und zur Verbesserung der sensorischen Wahrnehmung und damit der sensorischen Kontinenz beiträgt.
Kann die anale Inkontinenz durch Behandlungsmaßnahmen nicht in einem ausreichenden Maße gebessert werden, bleiben die Möglichkeiten zur Anwendung der analen Irrigation, die Nutzung von Inkontinenzartikeln wie Analtampons und Vorlagen oder die operative Anlage eines künstlichen Darmausganges.