Basistherapie bei proktologischen Krankheitsbildern
Ballaststoffreiche Ernährung (Präbiotika)
Die Nahrungsbestandteile, welche wir nicht verdauen und verwerten, ernähren unsere Darmflora (Mikrobiom) und geben unserem Stuhl die Form und Konsistenz. Die Rede ist von Ballaststoffen. Diese haben unsere Vorfahren bis vor ca. einhundert Jahren, um ein Vielfaches mehr mit ihrer täglichen Nahrung zu sich genommen. Zahlreiche unserer Zivilisationskrankheiten, einschließlich der Darm- und Enddarmerkrankungen sind zu einem Teil der heutigen Ernährungsweise geschuldet. Industriell gefertigte Nahrung ist hochgradig aufbereitetet („raffiniert“) und somit seiner Faser- und Ballaststoffe beraubt.
Empfehlenswert ist demnach, die Reduktion von weißem Mehl und Zucker sowie stattdessen auf eine Vollwertkost zu achten. Außerdem kann eine Nahrungsergänzung durch Faser- und Ballaststoffe erfolgen, die auch als Präbiotika bezeichnet werden, da sie die Entwicklungsgrundlage unserer Darmflora darstellen. Hierfür bieten sich unter anderem gemahlene indische Flohsamenschalen oder Weizenkleie an. Weizenkleie ist ein heimisches Produkt, wodurch lange Lieferwege vermieden werden. Doch sie wird in einem höheren Maße von unserer Darmflora fermentiert, was verstärkte Blähungen zur Folge hat. Beide Nahrungsergänzungsmittel führen durch ihr hohes Quellvermögen zur einer geformten Stuhlkonsistenz, die weder hart und knollig noch dünn bis breiig sein sollte und aktivieren durch eine Dehnung der Darmwand die Darmtätigkeit genauso wie sie eine vollständige Entleerung des Enddarmes begünstigen.
Flüssigkeitsaufnahme / Trinkmenge
Mindestens 2 Liter Flüssigkeit, besser mehr, sollten täglich aufgenommen werden. Unser Körper besteht in etwa der Hälfte aus Wasser. Führen wir ihm nicht genügend Flüssigkeit zu, versucht er diesen Mangel anderweitig zu kompensieren. Unter anderem wird der Dickdarm dem Stuhl das Maximum an Flüssigkeit entziehen. Das Resultat ist die „Verstopfung“ mit einem harten, zähen, klumpigen Stuhl und einer entsprechend schwierigen Entleerung. Der dadurch erhöhte Druck beim Transport und der Entleerung des Stuhles ist eine bedeutende Ursache für die Entstehung von Darmdivertikeln, Beckenbodenschwäche, Vergrößerungen der Hämorrhoiden, Enddarm- und Analvorfällen sowie von Stuhlhalteschwächen.
Auch die empfohlenen gemahlenen Flohsamenschalen oder die Weizenkleie können ohne ausreichende Flüssigkeit nicht quellen!
Stuhlregulation
Die Grundlagen der Stuhlregulation bestehen in der ausreichenden Zufuhr von Faser- bzw. Ballaststoffen und Flüssigkeiten. Je nach Mengenverhältnissen kann damit der Stuhl aus beiden Richtungen, von zu hart und schwierig, genauso wie von zu dünn und schmierig, in die Richtige Konsistenz und Form gebracht werden, wodurch die Entleerung und die sensorische Kontinenz (Anale Inkontinenz) verbessert wird. Auch das durch den Quellvorgang vergrößerte Stuhlvolumen hat einen positiven Effekt, der insbesondere bei den Stuhlentleerungsstörungen und dem inneren Enddarmvorfall entscheidend zu einer Besserung der Beschwerden beitragen kann. Die ausgeprägtere Wanddehnung des Enddarmes erzeugt einen stärkeren Entleerungsreiz und eine vollständigere Entleerung. Außerdem führt das größere Stuhlvolumen dazu, dass die Falten und Einstülpungen der Enddarmwand beiseite gedrückt werden und damit der Weg frei gemacht wird. Zur Veranschaulichung stelle man sich einen prall gefüllten Mehlsack und einen halb gefüllten Mehlsack vor, welche um die Wette geleert werden sollen. Der prall gefüllte Sack muss nur umgedreht werden und schon ist er leer, hingegen bei dem halb gefüllten Mehlsack jede Falte ausgeschüttelt werden muss.
Sind diese Maßnahmen nicht ausreichend, kommen weitere Therapieoptionen zur Anwendung. Um einige zu nennen:
Probiotika
Probiotika sind Zubereitungen aus lebensfähigen Mikroorganismen, die unsere Darmflora ergänzen, stabilisieren und die Barrierefunktion zur Abwehr von Krankheitserregern stärken.
Prokinetika
Prokinetika sind Medikamente, die die aktive Bewegung (Motilität, Peristaltik) des Magen-Darm-Traktes steigern.
Peristaltik-Hemmer
Der Peristaltik-Hemmer Loperamid wird bei Durchfallerkrankungen angewandt. Loperamid reduzieren die Aktivität der Darmmuskulatur (Motilität, Peristaltik), womit der Transport im Darm verlangsamt wird und mehr Zeit für die Wiederaufnahme von Flüssigkeiten und Elektrolyten in den Körperkreislauf besteht. Die Häufigkeit der Stuhlgänge nimmt ab, der Stuhl wird fester bzw. geformter und sogar der Spannungszustand am inneren Schließmuskel des Afters steigt.
Anale Irrigation
Als anale Irrigation bezeichnet man die stimulierte Entleerung des Mastdarmes (Rektum). Den Mastdarm kann man sich wie einen „Sack“ vorstellen, in welchem der Stuhl gesammelt wird, bis dieser voll ist. Die dann entstehende Wanddehnung vermittelt das Stuhldranggefühl und löst den Entleerungsreflex aus. Bei der analen Irrigation wird die Entleerung durch die Spülung des Mastdarmes mit Wasser angeregt, welches über einen selbst einzuführenden Katheter eingebracht wird. Der Wassereinlauf führt zur Wanddehnung und damit zur Auslösung des Entleerungsreflexes. Ist der Mastdarm vollständig geleert, dauert es viele Stunden, bis er sich wieder gefüllt hat. In dieser Zeit können sich Menschen mit einer Stuhlinkontinenz sehr sicher sein, dass es nicht zu ungewollten Stuhlabgängen kommt. Sie haben somit im Idealfall wieder die Kontrolle über ihre Stuhlabgänge.
Beeinflussung des Defäkationsverhaltens
Dauersitzungen auf dem WC, mit der Zeitung oder dem Handy und nach dem Motto „Endlich habe ich mal meine Ruhe“, sollten ebenso vermieden werden, wie die harten, schwierigen oder die dünnen, dringenden Stühle. Bei solchem Entleerungsverhalten wird unser Beckenboden, einschließlich der abdichtenden Hämorrhoidalpolster und Schließmuskeln maximal beansprucht. Das Gewebe gibt, über einen langen Zeitraum gesehen, nach und wird schwächer.
Analhygiene
Eine angemessene Analhygiene ist für das eigene Wohlbefinden unabdingbar. Doch wo liegt das richtige Maß?
Um diese Frage zu beantworten, müssen die anatomischen Besonderheiten im Bereich des Analkanals und der Gesäßfalte Berücksichtigung finden. Von innen nach außen gesehen geht in diesem Bereich eine feuchte Schleimhaut in eine trockene und hoch sensible Haut (Anoderm) über, die keine Hornschicht aufweist. Erst am Außenrand des Afters beginnt die Haut der Körperoberfläche, die eine schützende Hornschicht aufweist. Dementsprechend ist die Haut des Analkanals weniger geschützt und besonders empfindlich. Die sich anschließende Gesäßfalte bringt eine weitere Besonderheit mit sich. Es liegen große Hautareale aneinander, auf deren Oberflächen Flüssigkeiten oder minimale fäkale Verunreinigungen somit nicht abtrocknen können. Mögliche Folgen und Beschwerden sind unter dem Thema Analekzem beschrieben.
Entsprechend kann man ableiten, dass mehrfach tägliches Reinigen mit Seifenlösungen, häufiges Wischen und vor allem die Säuberung bis tief in den Analkanal hinein mit Toilettenpapier ebenso wie die dauerhafte Anwendung von Salben oder Cremes die empfindliche Haut des Analbereiches schädigen, die natürliche Hautbarriere zerstören und der Ausbildung eines Analekzems begünstigen. Salben und Cremes können sich wie ein Film über die Haut legen, okkludierend wirken und das Abtrocknen der Haut in der Gesäßfalte zusätzlich erschweren.
Der richtige Weg besteht in einer Vermeidung von dünnen Stühlen und dem daraus resultierenden Nachschmieren, dem Säubern mit Toilettenpapier und falls erforderlich der abschließenden Reinigung mit klarem Wasser (Bidet, Po-Dusche, Waschlappen). Wer unter der Anwendung von handelsüblichen Feuchttüchern keine Beschwerden hat, kann auch diese benutzen. Bei analem Juckreiz, Brennen oder Wundgefühl sollten handelsübliche Feuchttücher nicht verwendet werden, da diese nicht selten die Ursache eines Analekzems darstellen.
Sollten trotz einer angemessenen Analhygiene Beschwerden wie Juckreiz, Nässen, Brennen, Unsauberkeitsgefühl verbleiben, ist eine proktologische Untersuchung und Behandlung zu empfehlen, in deren Folge Ihre Beschwerden fast immer beseitigt oder deutlich gelindert werden können.